Lieben

Ein erfülltes und befriedigendes Liebesleben ist eine Quelle von Glück, Anerkennung, Zufriedenheit und Lebensfreude. Was für unterschiedliche Menschen, in welchen Konstellationen auch immer, erfüllend und befriedigend ist, variiert sehr. Es gibt so unterschiedliche Weisen, die eigenen Bedürfnisse nach Liebe, Nähe und körperlicher Begegnung zu leben und zu erleben, sich darin zu entwickeln und zu verwirklichen, dass die persönliche Auseinandersetzung mit diesem Lebensbereich sehr wichtig werden kann.

Sexualität in Aufstellungen

Im Zusammenhang mit dem sehr intimen und persönlichen Thema Sexualität ergeben sich auch sehr persönliche und individuelle Fragen. Sie stehen immer auch im Kontext des gesellschaftlichen Diskurses über das Thema, haben vor dem Hintergrund des Umfelds, in dem jemand lebt, und angesichts von Werten und Normen, die dort gelten, eine ganz unterschiedliche Bedeutung und Gewichtung. Was in einem gesellschaftlichen Milieu völlig normal ist, wird in anderen Umfeldern nicht toleriert oder tabuiisiert. Für Betroffene können daraus schwere persönliche Krisen entstehen. Nicht selten ist das eigene familiäre Umfeld und dessen Umgehen mit Sexualität der erste und wichtigste Auslöser für Fragen und Schwierigkeiten und manchmal auch für gravierende Auseinandersetzungen bis hin zur Entfremdung.

Aufstellungen machen es möglich, sich der eigenen Sexualität, prägenden sexuellen Erfahrungen, Ängsten und Sorgen, die mit der Sexualität und der sexuellen Selbsterfahrung verbunden sind, anzuschauen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Auch Krisen und Konflikte, die die Entdeckung und Entwicklung der eigenen Sexualität im Herkunftsmilieu hervorrufen, können in Aufstellungen bearbeitet werden. Es gibt sehr facettenreiche und in der Intensität des Erlebens steuerbare Aufstellungsformen, um mit der eigenen Sexualität neu in Berührung zu kommen.

Das alles erscheint vielleicht zunächst vielen zu persönlich, um es in einer Gruppe von Menschen zu besprechen. Das ist verständlich und viele Menschen werden das nicht wollen und nicht tun. Aber es ist möglich und für die, die sich trauen und öffnen, oft sehr gewinnbringend. Aufstellungen zum sexuellen Leben können in einer Gruppe, aber selbstverständlich auch als Paar oder Lebensgemeinschaft sowie als Einzelperson umgesetzt werden. Immer sind sie professionell begleitet.

Sexuelle Identität

Sich selbst in der Aufstellung zu begegnen, in einem Stellvertreter sich selbst gegenüberzustehen, gehört zu den intensivsten Erfahrungen in der Aufstellungsarbeit. 

Dabei der eigenen sexuellen Identität nachzugehen, ist besonders persönlich und intensiv. 

Die Frage der geschlechtlichen Identität ist für jeden Menschen elementar. Viele von uns fühlen sich klar und eindeutig in ihrer Identität, sei es als Mann, als Frau, als Mensch mit einer nicht in diese Kategorien passenden Geschlechtsbestimmung oder auch ganz ohne eine Festlegung.

In Aufstellungen ist es möglich, sich der Identitätsfrage auf sehr berührende und spürbare Weise zu stellen. Die Arbeit ist in diesem Zusammenhang oft nicht einmalig, sondern eher wiederkehrend und aufbauend. Die geschlechtliche Identität ist nicht für jeden Menschen ein Fixum, sondern für einige Menschen im Verlauf des Lebens auch im Fluss.

Wir stehen jeder sexuellen Identität ebenso wie der Suche nach der persönlichen sexuellen Identität sowie auch den Lebensformen, die damit einhergehen, offen gegenüber, bewerten nicht, sondern schauen anerkennend auf das, was ist oder werden will.

Sexuelle Orientierung

Bin ich schwul? Bin ich lesbisch? bin ich heterosexuell? Bin ich bisexuell? Für viele Menschen eine Lebensfrage. Auch weitere Kategorien sind im Entstehen und die Facetten der sexuellen Orientierung sind im Fluss. Häufig ist die Selbstfindung in der sexuellen Orientierung von der Pubertät an ein sehr essentielles Thema, bei anderen Menschen tauchen Fragen erst später, nach langer Zeit der Festlegung auf. Männer und Frauen, die verheiratet sind und Kinder haben, entdecken ihre homosexuellen Wünsche und möchten sie in ihr Leben integrieren. Menschen, die die Homosexualität für sich entdeckt und mit ihr im Reinen sind, verlieben sich, für sie selbst manchmal überraschend, in einen Menschen des anderen Geschlechts. 

Es ist für jede*n, die oder der sich diesen Fragen gegenüber sieht, sehr wichtig, sich unvoreingenommen mit ihnen auseinandersetzen zu können - ohne Bewertungen und mit ehrlichem Blick auf sich selbst und die Beziehungen, in denen er oder sie lebt. Mit unseren Aufstellungen bieten wir ein Forum an, sich bedingungslos und offen selbst anzuschauen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse, auch die, die lange verleugnet und unterdrückt wurden, zu sehen und mit ihnen umzugehen zu lernen. 

Ganz wichtig ist für viele, Hilfe im coming out zu bekommen, in der Phase, in der er oder sie wichtigen Bezugspersonen die eigene sexuelle Orientierung mitteilen möchte. 

Aufstellungen bieten einen großartigen, geschützten Raum, sich dem zu stellen, was ist und einen Weg zu finden, sich ganz anzunehmen und zu leben, was in einem ist.

Besonders berührend sind Aufstellungen, in denen Menschen, die Veränderungen in ihrer sexuellen Orientierung wahrnehmen, mit ihren Freunden oder Freundinnen, ihren Lebenspartnern oder Lebenspartnerinnenn auf die veränderte Situation schauen und einen gemeinsamen Weg suchen, alles, was ist, in das dann sicher veränderte Leben zu integrieren.

Sexuelle Erfahrung

Es ist wichtig und sehr lehrreich, unsere Erfahrungen zu reflektieren. Wir erkennen das fraglos an für wichtige Lebenserfahrungen wie große Erfolge oder schlimme Misserfolge, Verliebtheit und Heirat ebenso wie Beziehungskrisen und Trennungen.

Auch unsere sexuellen Erfahrungen haben ein starkes Potenzial, uns etwas über uns zu erzählen. Es ist extrem gewinnbringend, sie zu reflektieren und sich dadurch selbst immer besser kennenzulernen. Das ist insbesondere wichtig, wenn diese Erfahrungen neu sind, seien sie überraschend, genussvoll und besonders befriedigend oder auch irritierend, beunruhigend oder verstörend.

In einer Aufstellung ist es möglich, sich langsam und ruhig der gemachten Erfahrung noch einmal zu nähern, sie zu befragen und die Erkenntnis über sich selbst zu finden, die in ihr steckt.

Sexuelle Gesundheit

Die Weltgesundheitsorganisation beschreibt sexuelle Gesundheit als die Möglichkeit für Menschen, ihr sexuelles Sein zu leben: Sie können sich emotional und intellektuell, körperlich und psychisch, vor sich selbst und vor ihrem Umfeld und der Gesellschaft in ihrer Sexualität entfalten. Diese Freiheit ermöglicht ihnen, sich ihrer Persönlichkeit entsprechend zu entwickeln, Beziehungen zu anderen Menschen zu leben und zu lieben. Außerdem gehört laut WHO zur sexuellen Gesundheit das "Recht auf sexuelle Information und das Recht auf Lust".

Diese Beschreibung hat es in sich. Sexuelle Gesundheit kann demnach auch viel Auseinandersetzung mit sich selbst, mit der eigenen Herkunft und mit der oder dem eigenen Partner bzw. der eigenen Partnerin bedeuten, um sich den Freiraum zur Entfaltung zu erkämpfen.

Sexuelle Gesundheit ist in jedem Fall mehr als die Abwesenheit von sexueller Krankheit. Zugleich ist auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualpraktik und den Gesundheitsrisiken, die mit ihr einhergehen, ein wichtiger Punkt in der erwachsenen Sicht auf die eigene sexuelle Gesundheit. Hier gibt es viele Fragen zur eigenen Haltung und zur eigenen Sexpraxis.

In Aufstellungen kann man sich diesen Fragen unvoreingenommen und in Ehrlichkeit zu sich selbst und zu allen Stimmen, die es in einem gibt, stellen.

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