Thema des Monats Oktober:

Ein Schlag in die Seelengrube – 
Fest verankerte Verletzungen erkennen

Es ist schon bemerkenswert, immer wieder zu spüren, wie ganz bestimmte Momente, Situationen, das Verhalten anderer Menschen, Begegnungen, Räume, Licht und Gerüche in uns tief verankerte Gefühle wachrufen können: Sehnsüchte, Sorgen, Ängste ebenso wie Glück, Harmonie und Heimatgefühl.

Das ist mal sehr schön und manchmal sehr belastend. Wir haben das Gefühl, das nicht steuern zu können, diese emotionalen Anwürfe kommen einfach. Und, je nachdem, wie sie sich anfühlen, genießen wir sie einfach oder leider an und in ihnen.

Nicht selten erscheinen sie uns zudem gar nicht wie alte Zöpfe, in denen wir uns verfangen. Sie wirken absolut aktuell, im Hier und Jetzt präsent und durch die Situation, in der wir uns gerade befinden, hervorgerufen und gerechtfertigt.

Situationen, die wir heute erleben, können belastend und anspruchsvoll sein, so dass ein gewisses Maß an Sorge, Angst und Unsicherheit sehr verständlich sind. Die meisten Menschen würden so darauf reagieren. Aber sie sehen auch die Chancen und Möglichkeiten und beginnen, sich eine Strategie zu überlegen, sich mit anderen zu besprechen und ihr Vorgehen zu planen.

Manchmal kommen aber wir selbst oder andere Menschen nicht in diesen konstruktiven und anpackenden Modus. Immer wieder können wir in Aufstellungen sehen, dass Menschen in heutigen Situationen an alte Erfahrungen anknüpfen und aktuelle Lagen und Herausforderungen Emotionen wachrufen, die mit ähnlichen und sehr wichtigen früheren, oft auch wiederholt und über lange Zeit erlebten Zusammenhängen fest assoziiert sind.

Es sieht dann aus der Perspektive der Aufstellungsleitung – und oft auch für das Gefühl der übrigen Teilnehmer*innen an einer Aufstellung – so aus, als seien die Gefühle, die wir sehen, zu stark, nicht passend, irgendwie der Lage unangemessen und die Person wirkt wie davon gefangen.

Es ist als hätten sie durch ein Ereignis, eine Begegnung, eine Situation, eine belastende Erfahrung einen Schlag in die Seelengrube bekommen. Ich benutze dieses Wort in Anlehnung an den „Schlag in die Magengrube“, den wir sprichwörtlich kennen. Er bezeichnet einen plötzlichen, unerwarteten und harten Moment. Wenn der Schlag die Seele trifft, dann berührt er u. U. Gefühle und Erfahrungen, die dort wie in einer Grube als Bodensatz ruhen, aber jederzeit in ihrer Kraft wieder wachgerufen werden können. Die Emotionen, die wir dann spüren, sind oft stärker und bedrohlicher als die konkrete aktuelle Lage angemessen erscheinen lässt.

Es braucht eine gute sortierende Arbeit, um dann den Weg aus dem Gefühlschaos zu finden. Eine Aufstellungsarbeit kann hier sehr hilfreich sein, um wieder Perspektive zu finden und Gestaltungsmöglichkeiten zu erkennen.

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