Thema des Monats Juni:

Einsamer Tod -
Aufstellung für Menschen, die sich nicht verabschieden konnten

Die Corona-Pandemie hat viele Belastungen und Schrecken verursacht. Zu den besonders schlimmen Konsequenzen gehört, dass Menschen, insbesondere ältere Menschen, abgeschottet von der Außenwelt in Krankenhäusern und Pflegeheimen gelitten haben und einsam gestorben sind. Angehörige und Freunde wurden nicht zu ihnen gelassen, sie konnten nicht für sie da sein, sie konnten nicht Abschied nehmen. Die Leidenden und Sterbenden blieben einsam, die Hinterbliebenen hilflos, trauernd und ratlos.

Für jemanden, der Vater, Mutter, Großvater, Großmutter oder einen anderen lieben Menschen auf diese Weise verloren hat, ist etwas nicht zu Ende gebracht, ist eine Verbindung einfach gekappt, hängt eine Beziehung in der Luft. Und viele leben in dem Gefühl weiter, ihre Verantwortung der*dem Verstorbenen gegenüber nicht erfüllt zu haben, für sie da zu sein und in der entscheidenden letzten Lebensphase mitzugehen.

In einer Familie oder anderen Lebensgemeinschaft hinterlassen Menschen, die auf diese einsame, wortlose, die Gemeinsamkeit nicht gemeinsam abschließende Weise verstorben sind, nicht nur die Lücke, die der Tod immer reißt. Wer sich verabschieden kann, kann noch Dinge ansprechen, kann verzeihen, kann sich lösen. Wem jemand entrissen wird, ohne Worte, ohne Begegnung, kann das nicht mehr tun. Und es bleibt eine Gruppe von Menschen zurück, deren Beziehungen untereinander durch die*den Verstorbenen beeinflusst oder geprägt waren.

Auch die Beziehungen unter den Weiterlebenden ändern sich durch den Tod eines wichtigen Mitglieds der Familie oder Lebensgemeinschaft. Corona hat diese schwere Erfahrung viel mehr Menschen zugemutet als das Leben vor Corona es schon tat.

Dieses Erleben und seine Wirkungen auf den ganzen Organismus – des Einzelnen wie der Familie oder Lebensgemeinschaft – zu verarbeiten und Trauer und Schuldgefühle zu überwinden, braucht eine eigene Aufmerksamkeit und Anstrengung. Einzelne Betroffene und auch die Gemeinschaf der Weiterlebenden, die Familie oder Lebensgemeinschaft, müssen ihre Gefühle verarbeiten, den Abschied innerlich vollziehen und auch ihre Beziehungen untereinander neu sortieren. Wir möchten mit einem eigenen Aufstellungsangebot Menschen, Familien und Lebensgemeinschaften helfen, die diesen Weg gehen wollen.

 

 

Drei Phasen der Aufstellung „Einsamer Tod“ – für Menschen, die sich nicht verabschieden konnten“

 

Phase 1:
Besprechung der Beziehung und des Erlebten

Wir halten es für außerordentlich wichtig, in diesem Prozess des im Nachhinein vollzogenen Abschiednehmens nichts zu überspringen, sich nicht in ein Ritual zu flüchten, das vorgibt, etwas abzuschließen, was in Wahrheit aber nur übergangen, ausgeblendet, in seiner Bedeutung nicht anerkannt wird. Darum muss dieser Klärung viel Aufmerksamkeit gewidmet werden. In dieser einführenden Besprechung arbeiten wir die wichtigsten offenen Themen und Fragen in der Beziehung zur*zum Verstorbenen heraus.

Phase 2:
Aufstellung der Beziehung zur*zum Verstorbenen

Die in Phase 1 erarbeiteten Themen und Fragen, sind für die Beziehung zur*zum Verstorbenen prägend und sie sind es in den inneren Bildern von dieser Beziehung bei den Weiterlebenden immer noch. Sie sind beim Einzelnen und auch in der Familie oder Lebensgemeinschaft weiterhin da, solange sie nicht geklärt und beantwortet werden. Dinge, die nie ausgesprochen wurden, Verletzungen, die nie geheilt wurden, eine Liebe, die nie gestanden wurde, ein Ende, das nie markiert wurde – es gibt oft sehr tiefgehende Erfahrungen und Emotionen, die im Vollzug eines Abschiednehmens noch einmal angeschaut werden sollten, bevor wir tatsächlich ruhig werden, die andere oder den anderen gehen lassen und selbst wieder glücklich werden können.

In einer Aufstellung den verlorenen Menschen noch einmal zu vergegenwärtigen und die Beziehung noch einmal zu spüren, ermöglicht es, die offenen Themen und Fragen zu adressieren, die Emotionen, die zu ihnen gehören, noch einmal zuzulassen und zu beginnen, die Beziehung zu befrieden und zu vollenden.

Phase 3:
Abschied nehmen

Wenn die offenen Themen und Fragen noch einmal den angemessenen Raum hatten und wir uns ihnen auf angemessene Weise gestellt haben, wenn wir innerlich bereit sind, uns zu verabschieden, dann kann das Abschiednehmen in der Aufstellung auch vollzogen werden. Es wird dann ein reifer, aufrichtiger und ernsthafter Abschied sein, der befreit.

Wir glauben, dass dieses Aufstellungsformat ein großes Potenzial hat, Menschen zu helfen, die nach einem Weg suchen,
die sehr schmerzhafte Erfahrung des einsamen Todes und der eigenen Hilflosigkeit zu verarbeiten.

nach oben